Kreuzband-OP: Welche Sehne bietet mir die meisten Vorteile?

Kreuzbandrisse zählen zu den häufigsten Bandverletzungen im Knie. Eine Überdehnung des eigentlich robusten Bandes, etwa durch eine falsche Drehbewegung beim Fußballspielen oder Skifahren, ist meist der Grund. Aber auch Unfälle, beispielsweise ein Sturz, können die Belastbarkeit des Kreuzbands überfordern. Typisches Riss-Symptom: ein manchmal sogar recht lautes Knall- oder Knackgeräusch im Knie. Überwiegend ist das vordere Kreuzband betroffen, laut Statistik reißt es zehnmal häufiger als das hintere. Denn es ist dünner und in der Regel auch stärker belastet als sein Pendant in der zweiten Reihe. Und dann? Konservative Therapie oder Operation. Hier erkläre ich Ihnen die wichtigsten Fakten und Möglichkeiten rund um einen chirurgischen EingriffSchauen Sie dazu auch meinen Blog-Videobeitrag „Für wen ist eine OP sinnvoll?“

Natürlich lässt sich ein Kreuzbandriss in einem gewissen Rahmen auch durch eine konservative Behandlung in den Griff bekommen. Patienten, die im Alltag, in der Freizeit oder im Beruf ihre Knie nicht allzu stark belasten und auch nach der Verletzung keine Instabilität im Knie spüren, brauchen nicht unbedingt ein neues Kreuzband. Mehr Informationen dazu finden Sie in meinem Blog-Artikel „Kreuzbandriss – welche Behandlung ist die beste?“
Eine Operation ist aber immer dann empfehlenswert, wenn der Patient einen hohen sportlichen Anspruch hat – oder sich das betroffene Knie, nachdem alle konservativen Maßnahmen ausgeschöpft sind, weiterhin instabil anfühlt. 

Die beiden Kreuzbänder haben eine zentrale Bedeutung für die Stabilität des Kniegelenks. Sie sorgen dafür, dass der Kontakt zwischen den Gelenkflächen von Oberschenkelknochen und Schienbein erhalten bleibt. Das vordere Kreuzband, im Foto rot markiert, ist dünner und meist auch stärker belastet – reißt daher häufiger. Schemenhaft ist hier auch das hintere Kreuzband zu erkennen: Es ist genau entgegengesetzt diagonal gespannt

Angst vor so einem reparierenden Eingriff muss niemand haben: Er wird minimalinvasiv mittels Arthroskopie (Infos hier im Blog) durchgeführt. Der Patient bekommt nichts davon mit, er ist während der etwa 30- bis 45-minütigen Behandlung unter Vollnarkose. Sichtbar bleibt nur eine drei bis vier Zentimeter lange Narbe, die mit der Zeit verblasst. Mit rund 100.000 Fällen zählt eine Kreuzband-OP hierzulande zu den häufigsten Eingriffen am Knie. Dennoch ist sie eine handwerklich sehr anspruchsvolle Maßnahme, die für ein bestmögliches Ergebnis vom Chirurgen viel Erfahrung und Wissen über die verschiedenen Techniken erfordert.

Jede OP wird individuell auf den Patienten abgestimmt

Was passiert bei einer Operation? Verkürzt gesagt: Das gerissene Kreuzband wird durch eine stabile körpereigene Sehne ersetzt, die der Chirurg vorher aus dem Bein des Patienten entnimmt. Vorteil: Unser Organismus akzeptiert den Ersatz problemlos und wandelt die Sehne in ein neues Kreuzband um. Dieses körpereigene Transplantat wird auch Kreuzbandplastik genannt. 

Doch welche Sehne eignet sich für den jeweiligen Patienten, seinen Alltag und seine sportlichen Ambitionen am besten? Das ist die entscheidende Frage vor jeder OP-Planung: Drei verschiedene Körpersehnen mit ähnlich strapazierfähigen Eigenschaften wie das ursprüngliche Kreuzband stehen zur Auswahl. Jede hat ihre Vor- und Nachteile. Und bei jedem Patienten sind die Umstände seines Kreuzbandrisses anders, etwa weil darüber hinaus weitere Knieverletzungen zu behandeln sind.

Drei unterschiedliche Sehnen stehen zur Wahl

OP-Ersatz mit Beugesehne aus der Oberschenkelrückseite:
Kleinster Schnitt und schnellste Reha, nicht für extreme Belastungen geeignet

Gilt in Europa als Goldstandard beim einfachen Kreuzbandriss. In rund 60 Prozent der Eingriffe werden aus der rückwärtigen Oberschenkelbeugesehne die Semitendinosussehne mit oder ohne Gracilissehne verwendet. Heutzutage meist die Semitendinosussehne alleine. Der Verlust der Sehne(n) wird von den Nachbarsehnen im hinteren Oberschenkel gut kompensiert.
Vorteile des Verfahrens: Die Sehnenentnahme macht wenig Beschwerden, daher unkomplizierte und zügige Rehabilitation. Häufig laufen die Patienten bereits nach 7-10 Tagen ohne Krücken! 
Nachteil: Für Risikosportler ist bei dieser OP-Alternative das Risiko eines erneuten Risses am höchsten.
Bei Patienten, die zusätzlich noch andere Knieverletzungen wie einen Innenbandriss haben, wird diese Sehne nicht verwendet.

OP-Ersatz mit Quadrizepssehne aus der vorderen Oberschenkelmuskulatur:
Besonders stabil, eignet sich auch für Profisportler, aber aufwendige Reha

Die Quadrizepssehne ist die Ansatzstelle des großen Oberschenkelmuskels, des Quadizeps, am Knie. Daraus lässt sich ein passendes Sehnenstück entfernen und „maßgeschneidert“ als Kreuzbandersatz im Kniegelenk fixieren. Die Sehne wächst in 6–12 Wochen wieder nach.
Vorteile des Verfahrens: Sehr gute Reißfestigkeit auch bei starker Belastung.
Nachteile: Die Heilung der Sehnenentnahmestelle erfordert eine relativ aufwendige Reha, es braucht etwas Zeit, bis die Oberschenkelmuskulatur wieder voll funktionsfähig ist. Rund zwei Wochen Krücken sind meist notwendig.
Topathleten wie Thomas Dreßen und Marlene Schmotz, beide Skirennfahrer in der deutschen Ski-Nationalmannschaft, habe ich beispielsweise nach ihren schweren Knieverletzungen mit einer Quadrizepssehne versorgt. Je mehr Kniestrukturen zusätzlich zum Kreuzbandriss kaputt sind, umso eher rate ich zur Quadrizepssehne. Die längere Reha nehmen Profisportler gern in Kauf: dafür haben sie, passend zu Ihrem persönlichen Risikoprofil, eine besonders starke Sehne.

OP-Ersatz mit Patellasehne unterhalb der Kniescheibe:
Sehr widerstandsfähig und kräftig, Folgeschmerzen sind möglich
Die Patellasehne ähnelt in Ihren Eigenschaften der Quadrizepssehne – sie liegt allerdings unter der Kniescheibe und ist sehr kurz, reicht nur bis zum oberen Unterschenkelkopf. Für die Sehnenentnahme, muss je ein Stück Knochen an der Kniescheibe und am Unterschenkelkopf entfernt werden. Noch bis etwa 2010 galt das Verfahren als Standardtechnik in Europa.
Vorteil des Verfahrens: Die Sehne ist extrem stabil und rissfest. Sie heilt auch als Kreuzbandersatz besonders rasch ein. 
Nachteil: Etwa 50 Prozent der Patienten haben anschließend Schmerzen an der Entnahmestelle, auch noch ein bis zwei Jahre nach der Operation.
Patienten, die in ihrem Beruf oder in ihrer Freizeit viele Arbeiten auf den Knien erledigen müssen, empfehle ich dieses Verfahren aufgrund der möglichen Folgeschmerzen nicht. Dennoch ist es nach wie vor eine Option: Oftmals für Spitzensportler wie Fußballprofis, weil die Sehne so kräftig ist, oder wenn ein anderer Sehnenersatz nicht gehalten hat. 

Dauer der Rehabilitation ist bei allen Verfahren unter dem Strich gleich

Auch wenn die Umstände der Sehnenentnahme sowie die Rehamaßnahmen bei jeder der drei OP-Techniken ganz unterschiedlich sind, dauert es bei allen gleich lange, bis der Patient langsam wieder richtig aktiv werden darf. Immer ist eine Sportpause von 6–9 Monate nötig, bis sich Knie und Sehne umorganisiert haben, die neuen Kreuzbänder weitgehend belastbar sind und die Schwellungen abgeklungen.

Nicht jeder Knie-Chirurg ist in allen drei Techniken gleich erfahren. Mein Rat: Holen Sie sich im Zweifelsfall die Meinung von mehreren Spezialisten ein. Für eine umfassende Diagnose und Therapie-Empfehlung sind immer drei Dinge nötig: Die Krankheitsgeschichte (Anamnese), eine klinische Untersuchung und MRT-Bilder. Aus diesen Fakten entwickle ich zusammen mit dem Patienten, unter Berücksichtigung seiner Wünsche und Ansprüche, die OP-Strategie.

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